Dinkelsbühl – Romantik pur in Deutschlands schönster Altstadt

„In welcher deutschen Stadt findet seit 1897 die Kinderzeche statt?“ lautete eine Frage in dem Kartenquiz, das ich als Kind immer gespielt habe. Die Antwort war „Dinkelsbühl“. Da habe ich den Ort mit dem komischen Namen zum ersten Mal gehört. Dort gewesen bin ich allerdings nie. Bis jetzt…

Wir sind gerade auf der Rückfahrt von einem Termin in Donauwörth nach Hannover. Bei traumhaftem Wetter fahren wir die Romantische Straße entlang durch das landschaftlich schöne fränkische Land. Wir passieren Nördlingen und diskutieren darüber, ob wir das Nördlinger Ries besuchen sollen.

Dann taucht plötzlich ein vielversprechendes Hinweisschild am Straßenrand auf: „Dinkelsbühl – schönste Altstadt Deutschlands“. Das klingt toll – da müssen wir hin! Das Nördlinger Ries kann warten.

Wir folgen den Hinweisschildern und erreichen schon nach kurzer Zeit das Nördlinger Tor, eines der vier Stadttore von Dinkelsbühl.

Das Tor wurde um 1400 gebaut und hat einen wunderschönen Staffelgiebel mit Halbmuscheln aus dem 16. Jahrhundert. Nebenan wurde die Stadtmühle errichtet, nachdem Kaiser Karl IV. der Stadt Dinkelsbühl 1378 das Privileg zum Betrieb zweier Mühlstätten verliehen hatte. Der festungsartige Bau mit Wassergraben, Wehrgang und Schießscharten sollte die Stadt einst im Südosten gegen Angriffe sichern.

Wir fahren durch das imposante Stadttor hindurch und stellen unser Auto gleich dahinter am Straßenrand ab. Völlig kostenlos übrigens, kein Parkschein-Automat weit und breit. Hier beginnt auch schon die schöne Altstadt mit ihren verwinkelten Kopfsteinpflaster-Gassen und den zahlreichen bunten Fachwerkhäusern.

Über eine stark ausgetretene Steintreppe neben dem Tor gelangen wir auf ein kleines Stück Stadtmauer. Von hier genießen wir zu allen Seiten die schöne Aussicht.

Wir sind auf Anhieb verzaubert von der romantischen kleinen Stadt an der Wörnitz, dessen Altstadt von der Zeitschrift Focus zur schönsten des Landes gekürt wurde.

Unsere Erwartungen sind entsprechend hoch, da wir schon viele schöne alte Städte gesehen haben. Gespannt machen wir uns zu Fuß auf den Weg, um die mittelalterliche Stadt mit ihren 4 Toren und den sage und schreibe 18 Türmchen zu erkunden. Ich bin beeindruckt, die komplette 3 Kilometer lange Mauer rund um die Altstadt scheint noch vollkommen intakt zu sein.

Der Erhalt der alten Bausubstanz in Dinkelsbühl soll König Ludwig I. von Bayern zu verdanken sein. Dank ihm wurde das Erscheinungsbild der Altstadt bewahrt, die heute im Großen und Ganzen immer noch so aussieht wie vor 500 Jahren. Kaum zu glauben, oder?

Zum Glück blieb Dinkelsbühl auch im 1. und 2. Weltkrieg von Luftangriffen und deren Schäden weitgehend verschont. Daher ist das heutige Stadtbild nahezu unversehrt und die gesamte Altstadt steht heute streng unter Denkmalschutz.

Wir spazieren die Nördlinger Straße entlang in Richtung St. Paulskirche. Besonders schnell vorwärts kommen wir nicht. Alle paar Meter bleibe ich staunend stehen, um Fotos zu machen. Postkartenmotive überall! Die Häuser sind allesamt wunderschön und herrlich gepflegt.

Schon Maler entdeckten um 1890 das romantische Städtchen für ihre Motive, so dass Dinkelsbühl im Sommer zahlreiche Münchener und Berliner Künstler anlockte.

Der kleine Bäuerlinsturm am Wörnitzufer mit seinem charakteristischen Fachwerkgeschoss und dem steil abgewalmten Satteldach aus dem 16. Jahrhundert ist das Wahrzeichen der Stadt Dinkelsbühl. Namensgeber war der Turmwächter und Gerber Hans Bäuerlin.

Das Stadtbild von Dinkelsbühl ist wirklich etwas ganz Besonderes! So hatten Handel und Handwerk Dinkelsbühl einst reich gemacht. Der Glanz früherer Tage spiegelt sich auch heute noch in den prachtvollen Bauwerken der Stadt wider. Die vielen farbig gestrichenen Häuserfassaden, mit Weinreben, Efeu oder Rosen bewachsen und die alte Schwabacher Schrift über den Eingangstüren der Läden – das alles ist einzigartig.

Allerdings wird hier nichts dem Zufall überlassen. Als Hauseigentümer darf man in Dinkelsbühl nur aus einer bestimmten Farbpalette auswählen, wenn man sein Haus neu streichen möchte. Auch Leuchtreklamen, große Werbeflächen oder Bausünden gibt es in Dinkelsbühl nicht.

Der Legende nach befand sich an der Nördlinger Str. 2, wo heute die St. Paulskirche steht, der Hof des Dinkelbauern, der die Stadt Dinkelsbühl gegründet haben soll. 1290 wurde auf diesem Grund das Karmeliterkloster gebaut. Nach dem Abriss der ehemaligen Klosterkirche entstand 1840 schließlich die protestantische St. Paulskirche.

Gleich um die Ecke befindet sich das Münster St. Georg. Es gilt als eine der schönsten spätgotischen Hallenkirchen in Süddeutschland.

Ganz prominent auf dem Vorplatz am Münster steht das Christoph von Schmid-Denkmal. Er ist ein bedeutender Sohn der Stadt, Verfechter einer guten Erziehung, Pastor, Lehrer und Schriftsteller. Was ich auch nicht wusste: Das bekannte Weihnachtslied „Ihr Kinderlein kommet“ wurde von diesem Herrn Schmid gedichtet. Habt ihr es gewusst?

Direkt am Münster befindet sich auch der schöne Weinmarkt mit vielen urigen Cafés und Restaurants, die vorwiegend traditionelle fränkische Küche bieten und bei schönem Wetter zum Draußen sitzen einladen. Hier steht auch mein Lieblingshaus: Das historische 4-Sterne-Hotel Deutsches Haus mit der schönsten Fassade in Dinkelsbühl. Auch hier werden typisch fränkische Gerichte serviert.

Ich komme aus dem Schwärmen gar nicht wieder heraus. An den üppig mit Blumen verzierten Häuserfassaden kann ich mich einfach nicht sattsehen.

Die Dinkelsbühler Altstadt ist an diesem Dienstagnachmittag nahezu menschenleer. Wir bummeln ziellos durch die Gassen und lassen uns treiben, biegen mal links und mal rechts ab und genießen einfach den Anblick der wunderschönen Fachwerkhäuser und Türme. Und genau das ist das Schöne an Dinkelsbühl. Hier gibt es keine Sehenswürdigkeiten, die man der Reihe nach abklappern muss, denn die gesamte Stadt ist eine Sehenswürdigkeit.

Bei unserem weiteren Rundgang entdecken wir das Rothenburger Tor, welches besonders schön direkt an einem kleinen Weiher und dem Statdpark liegt. Das prachtvolle Stadttor ist eines der Highlights der Stadt. Es steht am nördlichsten Punkt der Stadtmauer und wurde im Jahr 1390 erbaut. Auch heute noch besitzt das Tor sein ursprüngliches Aussehen, weshalb es jeweils nur in eine Richtung mit dem Pkw passiert werden kann. Die Löcher in der Tordurchfahrt und der Vorbau mit seinen Erkern zeugen von der Wehrhaftigkeit Dinkelsbühls. Im zweiten Obergeschoss befinden sich ehemalige Gefängnisräume und eine Folterkammer. Ich finde das alles sehr spannend und versuche mir gerade vorzustellen, wie das Leben hier früher wohl gewesen ist.


Nach einem kurzen Fußmarsch in Richtung Westen stehen wir schon wieder vor einem riesigen Tor. Es ist das Segringer Tor, das schon seit 1384 existiert. Nach der Belagerung durch schwedische Truppen stürzte das Tor 1648 ein und wurde sieben Jahre später im Barockstil wieder aufgebaut. Bei den Umbaumaßnahmen erhielt der Torturm seine heutige barocke Haube. Die anschließende Stadtmauer sicherte mit zahlreichen Wehrtürmen die Südwestseite der Stadt. In der Tordurchfahrt führt eine Treppe hinunter in den Stadtgraben.

Die breite Segringer Straße, die von Segringer Tor in die Stadtmitte führt ist eine beliebte Einkaufsstraße. Sie bietet einen reizvollen Blick über die Dächer der Altstadt bis hin zum Münster St. Georg.

Wir spazieren an den Geschäften vorbei in Richtung Marktplatz und bleiben vor einem dunkelroten Gebäude stehen: Dem Rathaus. Im Jahre 1733 wurde das Gebäude als Privathaus für den Posthalter, Senator und späteren Bürgermeister Bauer errichtet. Seit 1855 befindet sich hier die Stadtverwaltung.

Wer Ruhe sucht, der spaziert außerhalb der Stadtmauer durch den schön angelegten Grüngürtel, der sich rund um die historische Stadtmauer zieht. Die drei Kilometer lange Strecke lässt sich gut zu Fuß oder mit dem Rad erkunden. Früher war der Grünstreifen Teil der Wehranlagen, heute ist das ehemaliges Landesgartenschau-Gelände ein öffentlicher Park. Streuobstwiesen, idyllische Gärten, Weiher und historische Alleen laden zum Picknicken, Spazieren gehen und Ausruhen vom stressigen Alltag ein.

Naturfreunde können sich bei einer „Grünen Führung“ ausgiebig über die Besonderheiten der vielfältigen Botanik informieren.

Das Großereignis des Jahres ist in Dinkelsbühl sicherlich die eingangs erwähnte Kinderzeche. Sie ist eines der ältesten und buntesten Festspiele in Deutschland und findet jedes Jahr im Juli statt. Bei dem 10-tägigen Event handelt es sich um ein Kinder- und Heimatfest, das im 17. Jahrhundert aus einem Schulfest entstanden ist. Seit 2016 befindet sich das Fest auf der Liste des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland.

„Das ganze Spektakel geht zurück auf den 30-jährigen Krieg. Mehrmals konnte sich Dinkelsbühl damals von Belagerungen freikaufen, bis die Schweden kamen und die Stadt besetzten – Geld war keines mehr vorhanden. Der Sage nach retteten die Kinder Dinkelsbühl dann vor dem Untergang. Ein Mädchen, die Türmerstochter Lore, trommelte alle Kinder zusammen um die Schweden um Gnade zu bitten. Der Obrist von Sperreuth entdeckte in der Kindermenge einen blonden Jungen, der ihn an seinen eigenen kürzlich verstorbenen Sohn erinnerte, und ließ Gnade walten – er gab die Stadt zurück an seine Bewohner.“

Fazit: Dinkelsbühl ist fast zu schön, um wahr zu sein – ein Ort, wie im Märchen. Es war eine gute Entscheidung, dem mittelalterlichen Ort an der Wörnitz spontan einen Besuch abzustatten. Zum Glück scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben, dass Dinkelsbühl eine der schönsten Altstädte zu bieten hat. Jedenfalls kann man hier noch in Ruhe durch die Gassen bummeln, ohne von Touristenmassen überrannt zu werden. Wenn du sowieso auf der „Romantischen Straße“ unterwegs bist, dann solltest du hier unbedingt einen Zwischenstopp einlegen. Du wirst es nicht bereuen.

Warst du schon einmal in Dinkelsbühl mit der angeblich schönsten Altstadt Deutschlands? Hast du noch weitere Tipps? Ich freue mich auf deine Erfahrungen!


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